Kritik â âParsifalâ bei den Bayreuther Festspielen
Ein Hoch auf die Werkstatt Bayreuth
Premierenkritik zum Anhören
Es ist wirklich nichts Neues, aber das Festspielhaus und die Festspielidee Richard Wagners sind einfach genial! Dieser Abend beweist einmal mehr aufs Neue, weshalb. ZunĂ€chst einmal, weil Richard Wagners Vision, sein Festspielhaus zu einer Werkstatt zu machen, es ermöglicht, dass ein Regisseur seine laufende Inszenierung nochmal ĂŒberarbeitet. Und das heiĂt im Fall von Uwe Eric Laufenberg, eine ziemlich schlechte Inszenierung zu einer ĂŒber gewisse Strecken soliden Arbeit umzugestalten. Im dritten Jahr seiner Verortung des BĂŒhnenweihfestspiels im Nahen Osten entrĂŒmpelt er die Personenregie im ersten Aufzug. Es gibt es kaum mehr âGĂ€nge ohne Grundâ, plötzlich wirkt alles motivierter, und sogar der Auftritt des Chores, der die letzten Jahre ordentlich gerumpelt hat, wirkt jetzt organischer.
Parsifal im dritten Jahr â work in progress
Ganz schlĂŒssig und logisch ist das Konzept freilich immer noch nicht. Es ist schade, dass die Geschichte der GeflĂŒchteten im Kloster der Gralsritter nicht weiter erzĂ€hlt wird, es ist immer noch nicht klar, was Klingsors Kreuzsammlung eigentlich im Hamam soll, zumal Klingsor ja eigentlich als Muslim eingefĂŒhrt wurde. Auch im dritten Aufzug hakt noch einiges. Unnötig ist zum Beispiel die neue Idee zur Verwandlungsmusik. Da tauchen in einer leider nicht besonders hochwertigen Projektion aus einem Wasserfall jetzt Winifred und Wolfgang Wagner auf, bevor die aus der Herheim-Inszenierung zitierte Totenmaske Richard Wagners erscheint. Solche Metareferenzen sollten Inszenierungen vorbehalten bleiben, die Rezeptionsgeschichte auf virtuosere Weise erzĂ€hlen.
Thomas J. Mayer (Amfortas) | Bildquelle: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Laufenberg hat ĂŒbrigens die Figur, die auf dem Dach des Klosters saĂ, erneuert â ein Element, das in seinem Umfeld als die âKritikerfalleâ, bekannt ist. Die ist jetzt eine Art Hirtenjunge auf dem Dach. Schade, dass er das Geld und die Energie nicht in etwas anderes investiert hat. Dennoch: Die Ănderungen bis hier verdienen Respekt, vielleicht werden es im Jahr Vier ja noch mehr solide Stellen â ein Hoch auf die Werkstatt Bayreuth.
Neben dem Werkstattgedanken ist es einmal mehr die Akustik, die die GenialitĂ€t des Festspielhauses beweist â und die des Dirigenten, der diese Akustik unglaublich gut bedienen kann. Was Semyon Bychkov gelingt, ist â genau wie Wagners BĂŒhnenweihfestspiel selbst â die Quadratur des Kreises. âParsifalâ, das bedeutet berauschende Kunstreligion einerseits, bohrende Psychoanalyse andererseits. Die Musik stellt, wĂ€hrend sie einen umgarnt und in Erlösungstaumel einlullt, dauernd die Frage nach den GrĂŒnden fĂŒr unsere Erlösungssehnsucht. Und genauso dirigiert Semyon Bychkov.
Sein erster Aufzug ist bemerkenswert langsam, aber spannungsvoll und analytisch. Die Verwandlungsmusik kommt teilweise so monumental daher, wie Wagnerianer es lieben. Und doch werden all die Fragezeichen und WidersprĂŒche in Wagners Musik, die Psychologie von Schmerz, Schuld und Mitleid aufgefĂ€chert, so klar prĂ€sentiert, wie es nur möglich ist â und das eben nur in diesem Haus.
Surfen auf Klangwogen
Was Semyon Bychkov im ersten Aufzug verspricht, halten er und das Orchester in den weiteren: Bychkov holt alles aus dem Surround Sound des Festspielhauses heraus, die Musik drĂŒckt einen leidenschaftlich in den Sitz, lĂ€sst einen schweben, wĂŒhlt auf, versöhnt, beschwichtigt, und hinterfragt. Und auf diesen Klangwogen und Klang-Tsunamis surfen Chor und Solisten â und das ausnahmslos auf höchstem Niveau und in gebotener Vielschichtigkeit.
GĂŒnther Groissböck prĂ€sentiert einen stimmlich sehr autoritĂ€ren Gurnemanz â erfrischend, kommt der sonst doch oft allzu vĂ€terlich daher. Einen leidenden, gebrochenen, aber endlich auch wĂŒtenden Amfortas singt Thomas J. Mayer. Derek Welton zeigt, dass Klingsors Hass auf die Gralswelt vor allem Selbsthass ist. Mit seiner TextverstĂ€ndlichkeit und seinem Stimmklang prĂ€sentiert er sich als einer der besten Klingsor-Darsteller der letzten Zeit.
Was die Inszenierung im zweiten Aufzug nicht schafft, gelingt Elena Pankratova. Sie gliedert den langen Dialog mit Parsifal: mysteriös, dĂŒster, verfĂŒhrerisch, stark, brĂŒchig, mĂŒtterlich, heuchlerisch⊠Sie kann alles, was Kundry sein muss. Der offenkundige SpaĂ, den sie und Andreas Schager im Zusammenspiel haben, ĂŒbertrĂ€gt sich unmittelbar auf den Zuschauer. Und Andreas Schager? Der ist in seinem zweiten Jahr als Vollzeit-Parsifal einfach ĂŒber jeden Zweifel erhaben.
PARSIFAL â
Ein BĂŒhnenweih-festspiel
â Ein Requiem fĂŒr Religionen â
Von Karin Hasenstein
ioco | Kultur im Netz
Mit dem BĂŒhnenweihfestspiel Parsifal, dem âsummum opusâ Richard Wagners, wurden am 26. Juli 1882 die zweiten Bayreuther Festspiele eröffnet.
Die ersten Bayreuther Festspiele hatten 1876 stattgefunden, danach war Wagner erst einmal wieder bankrott. Aus diesem Jahr stammen auch die ersten Aufzeichnungen zur Musik des Parsifal, ein Albumblatt As-Dur mit dem Zusatz âAmerikanisch sein wollendâ. Der Entschluss, Wolfram von Eschenbachs um 1200 entstandenen Versroman Parzival zu vertonen, reifte im Januar 1877. Schon am 23.02.1877 wurde der zweite Prosaentwurf abgeschlossen, am 14.03. der Name Parzival in Parsifal geĂ€ndert. In der Zeit vom 14.-19.03. verfasste Richard Wagner die Urschrift des Textes und Ende September desselben Jahres begann er mit der Orchesterskizze des 1. Aufzuges. Am 25.12. wurde das Vorspiel zum 1. Aufzug im Haus Wahnfried anlĂ€sslich Cosimas Geburtstags uraufgefĂŒhrt. Die Arbeiten am 2. und 3. Aufzug dauerten bis zum Januar 1882. Wagner beendete die Partitur des 3. Aufzuges am 13.01.1882 und kassierte vom Verlag Schott fĂŒr das fertige Werk ein Honorar von 100.000 Mark.
Am 26. Juli 1882 erfolgte die UrauffĂŒhrung des Parsifal bei den Bayreuther Festspielen. Die letzte AuffĂŒhrung dieser Festspiele dirigierte Wagner ab dem Takt 23 der Verwandlungsmusik den 3. Aufzug zu Ende.
Das Bayreuther Festspielhaus wurde eigens fĂŒr das BĂŒhnenweihfestspiel Parsifal erbaut. Doch könnte umgekehrt gelten, Parsifal wurde fĂŒr das Festspielhaus geschrieben: Es heiĂt, nirgends könne man ihn so vollkommen hören wie hier. Wer den Vergleich zu anderen HĂ€usern zieht, mag das bestĂ€tigen. Nach Wagners Wunsch sollte der Parsifal fĂŒr das Festspielhaus reserviert bleiben und niemals an anderem Ort erklingen. âDort darf der Parsifal in aller Zukunft einzig und allein aufgefĂŒhrt werdenâ, schrieb er 1880 an König Ludwig II. von Bayern. âNie soll der Parsifal auf irgendeinem anderen Theater zum AmĂŒsement dargeboten werden: und dass dies so geschehe, ist das einzige, was mich beschĂ€ftigt und zur Ăberlegung dazu bestimmt, wie und durch welche Mittel ich diese Bestimmung meines Werkes sichern kann.â Er konnte es nicht.
Seit Ablauf der Urheberrechte 1913 ist der Parsifal nun frei fĂŒr AuffĂŒhrungen an anderen OpernhĂ€usern. Mit einem speziellen âLex Parsifalâ sollte die Schutzfrist verlĂ€ngert werden. Als Trotzreaktion auf das Scheitern dieses Vorhabens wurde im Jubeljahr 1913, zu Wagners 100. Geburtstag, auf Festspiele verzichtet! Vergebens. Bereits 1901 hatte die Witwe Richard Wagners, Cosima, einen ersten VorstoĂ im Reichstag gewagt. Dieser schmetterte die als âLex Cosimaâ betitelte Eingabe mehrheitlich ab. Auch der zweite Versuch scheiterte, obwohl Cosima dafĂŒr sogar Kaiser Wilhelm II. bemĂŒhte.
So versiegte mit dem 1. Januar 1914 auch die gröĂte Einnahmequelle der Familie Wagner, nĂ€mlich die Tantiemen aus den Werken Richard Wagners, die â einschlieĂlich des Weltabschiedswerks Parsifal, nun ĂŒberall kostenfrei gespielt werden durften.
Am 24. Dezember 1903 hatte Heinrich Conried, der Impresario der New Yorker Metropolitan Opera, bereits gewagt, Parsifal erstmals auĂerhalb von Bayreuth aufzufĂŒhren. Ein Vorgang, der damals als âGralsraubâ bezeichnet wurde. Conried lieĂ einfach Stimme fĂŒr Stimme aus der Studienpartitur des Mainzer Schott-Verlages abschreiben und umging damit das AuffĂŒhrungsverbot und den Umstand, dass die Familie Wagner sĂ€mtliches AuffĂŒhrungsmaterial streng unter Verschluss hielt.
Doch der Siegeszug des Parsifal auĂerhalb von Bayreuth lies sich nicht aufhalten. Gott sei Dank! möchte man ausrufen. Das Deutsche Opernhaus Charlottenburg, der VorlĂ€ufer der heutigen Deutschen Oper Berlin, bringt den Parsifal am Neujahrstag 1914, viele andere HĂ€user folgen.
Thomas Mann musste nach seinem Parsifal-Besuch in Bayreuth im August 1909 zugeben, dass er von dem Werk ĂŒberwĂ€ltigt war: âObgleich ich recht skeptisch hinging und das GefĂŒhl hatte, nach Lourdes oder zu einer Wahrsagerin oder an sonst einen Ort suggestiven Schwindels zu pilgern, war ich schlieĂlich tief erschĂŒttert. Eine so furchtbare Ausdruckskraft gibt es wohl in allen KĂŒnsten nicht wieder.â Damit mag der Autor Recht gehabt haben: Der Kraft des Parsifal kann man sich nur schwer entziehen.
So war es auch an jenem 25. August 2018, als die Rezensentin erwartungsvoll zum GrĂŒnen HĂŒgel pilgerte. Die von Uwe Eric Laufenberg geschaffene Produktion ist die zehnte Inszenierung des Parsifal bei den Bayreuther Festspielen seit der UrauffĂŒhrung Das Publikum erlebte eine hochkarĂ€tige SĂ€ngerbesetzung in bewĂ€hrter homogener Zusammensetzung unter dem erstmaligen Dirigat von Semyon Bychkov, der die Produktion in ihrem dritten Jahr von Hartmut Haenchen ĂŒbernommen hatte.
Eine hĂ€ufig diskutierte Frage, ob man nach dem ersten Aufzug des Parsifal applaudieren darf, entschied die Mehrheit des Publikums fĂŒr sich mit konkludentem Beifall. Die meisten applaudierten, einige wenige zischten um Ruhe. Ja, der Parsifal ist ein BĂŒhnenweihfestspiel, nicht mehr und nicht weniger. Er ist kein Gottesdienst, keine Liturgie, ânurâ Theater, die Kunst des âSo tun als obâ.
Richard Wagner erfindet nichts; er bedient sich mittelalterlicher Epen und Dramen, wie hier des Parzival Wolfram von Eschenbachs. Wagner benannte die Figur des Parzival, wie er bei Wolfram von Eschenbach heiĂt, eigenmĂ€chtig in Parsifal um. Er begrĂŒndete das mit einer etymologischen Herleitung aus dem Arabischen, in dem das Wort âfalâ in etwa âreinâ bedeutet und âparsiâ dem deutschen Wort âTorâ entspricht. Diese Etymologie, die er von dem Publizisten Joseph Görres ĂŒbernommen hatte, stellte sich spĂ€ter jedoch als falsch heraus, klingt aber nett.
Wagner bedient sich hier einer speziell christlichen Stofftradition aus dem Artussagenkreis, nĂ€mlich der Suche nach dem Heiligen Gral, in dem das Blut Christi aufgefangen worden sein soll. Bei Eschenbach war der Gral noch ein wundertĂ€tiger Stein. Kundry hat Balsam aus Arabien hergefĂŒhrt. Die Kombination âSteinâ und âBalsamâ lĂ€sst das Gedankenspiel zu, mit dem Heiligen Gral könnte die Kaaba in Mekka gemeint sein.
Im ersten Akt des Parsifal erzĂ€hlt Gurnemanz die umfangreiche Vorgeschichte der beiden wichtigsten Symbole, des Grals und des Speers. Dabei steht der Gral als GefÀà fĂŒr das Weibliche und der Speer fĂŒr das MĂ€nnliche.
Die Gralsritter mĂŒssen keusch sein (warum eigentlich?); und so kommt die Moral in die Welt. Klingsor möchte besonders keusch sein (auch hier fragt man sich: wozu?) und weil er fĂŒrchtet, dass er das nicht kann, entmannt er sich selbst, aus tiefer innerer Ăberzeugung, nicht durch Gewalt. Er errichtet ein Gegenreich, Klingsors Zaubergarten, eine Art botanisches Bordell, in dem die BlumenmĂ€dchen die Ritter verfĂŒhren sollen.
Amfortas bewaffnet sich mit dem Heiligen Speer und missbraucht die Reliquie als Waffe.
Kundry verlachte einst Christus am Kreuz und wird dafĂŒr zu ewiger Wiedergeburt verdammt. Sie muss immerzu lachen und erst wenn sie weinen kann, kann sie erlöst werden. In ihr vereinen sich polare GegensĂ€tze des Weiblichen: die Dienerin und die Femme fatale.
Amfortas leidet an einer Wunde, die sich niemals schlieĂen will. Die Wunde des Amfortas an Seite und Schenkel ist synonym zu Klingsors Kastrationswunde.
1. Aufzug
Regisseur Uwe Eric Laufenberg verlegt den Gralstempel in den Irak, nach Mossul, also wieder in ein orientalisches Umfeld. Der erste Aufzug spielt in einer christlichen Kirche, so wird das Christentum in BedrĂ€ngnis, in der Diaspora thematisiert. Laufenberg hinterfragt, wie Christentum unter Bedrohung funktionieren kann. Mossul, am Ufer des Tigris, ist die zweitgröĂte Stadt des Irak und besitzt eine 2.000 Jahre alte christliche Tradition. Der sogenannte Islamische Staat hat die Christen vor die Wahl gestellt, zum Islam zu konvertieren oder hingerichtet zu werden. So haben im Juli 2014 die Christen die Stadt verlassen. 2015 hat der IS die christliche Kirche in Mossul gesprengt und weitere christliche Kirchen im Land zerstört.
Der Vorhang öffnet sich, wir sehen eine Art FlĂŒchtlingsasyl, Menschen, die auf der Flucht sind und in der Kirche Zuflucht finden. (BĂŒhne: Gisbert JĂ€kel). Die Gralsritter werden als ein fiktiver christlicher Orden gezeigt, der die SchutzbedĂŒrftigen aufnimmt und versorgt. Sie stehen fĂŒr Pazifismus, die christlichen Eigenschaften Agape, Caritas und Empathie, sie leben Gemeinschaft und Gemeinde. Auf der anderen Seite thematisiert Laufenberg das Leiden, Schuld und SĂŒhne, BuĂe und Dogma.
Ist dies nun Islamkritik, wie nach der Premiere 2016 behauptet wurde? Ist es Provokation? Nein, es ist Freiheit der Kunst, die Themen aufgreift, die unsere Zeit beschĂ€ftigen. Es geht Laufenberg nicht um das Trennende, vielmehr um das verbindende und versöhnende Element. WĂŒrde man seine Inszenierung auf das Anprangern islamitischen Terrors reduzieren, begĂ€be man sich auf eine interpretatorische Schlagseite. Am Ende ist es mehr Nathan der Weise, ein âFinger in die Wunde legenâ.
Nach der ErzĂ€hlung des Gurnemanz nimmt ein groĂes Taufbecken eine zentrale Bedeutung ein. Es steht fĂŒr Reinigung und Erneuerung. Ăber der BĂŒhne sinniert auf einer Galerie sitzend eine mystische Figur; jedes Jahr in neuer Gestalt. 2018 hĂ€lt sie einen Hirtenstab. Im ersten Jahr der Produktion saĂ ein alter Mann auf einem Stuhl, im zweiten Jahr eine dunkelhĂ€utige Frau, in diesem Jahr nun eine Hirtenfigur, die von oben auf das Geschehen herabschaut. Wer das ist? Wir wissen es nicht. Vielleicht Gott, der in verschiedenen Gestalten erscheintâŠ
Kundry erscheint in einer Art Kutte oder Tschador, halb Nonne, halb arabisch. (KostĂŒme: Jessica Karge) Wir mögen uns erinnern, dass Arabien im 19. Jahrhundert positiv besetzt war, es war ein exotisch-erotisches Paradies, das Morgenland, der Ort des Heils.
Als die Ritter einen verwundeten Schwan herein tragen, kĂŒmmern sich alle nur um den Schwan. Fast unbemerkt betritt ein kleiner Junge den Raum, schaut sich um und bricht zusammen. Die Einzige, die sogleich zu ihm eilt, ist Kundry. Die Parallele zu dem syrischen FlĂŒchtlingsjungen, der im September 2015 tot am Strand angespĂŒlt wurde, ist durchaus beabsichtigt und in der Kleidung (rotes T-Shirt, blaue Hose) zitiert.
Parsifal, der aus Ăbermut den Schwan erlegt hat (âIm Fluge treffâ ich, was fliegtâ) ist nicht der Hellsten einer. Auf die Fragen des Gurnemanz weiĂ er keine Antwort. Gurnemanz glaubt, in ihm den reinen Toren zu erkennen, der âdurch Mitleid wissendâ ist und Erlösung bringen kann. Er lĂ€dt ein, dem Gralsritual beizuwohnen, das ein archaisches Blutritual ist.
Zur Verwandlungsmusik sieht der Zuschauer eine groĂe Projektion, mittels derer eine Identifikation von Raum und Zeit hergestellt wird. Aus dem Dach der kleinen Kirche wird der Blick heraus ins All gelenkt, der Flug geht an Planeten und MilchstraĂe vorbei ganz in die unendlichen Weiten⊠und genauso geht es wieder zurĂŒck, bis wir wieder in dem Kirchenraum angekommen sind.
Amfortas, der Schmerzensmann, erklimmt den Altar wie eine Schlachtbank. Das Blut, das erneut aus seinen Wunden strömt, ist das Blut Christi, Amfortas selbst wird zum Gral. Was sich hier vollzieht, ist eine ritualisierte sinnentleerte Handlung, der Gral ist defizitĂ€r und vollstĂ€ndig in Ideologie erstarrt. Parsifal versteht von all dem nichts und Gurnemanz wirft ihn enttĂ€uscht raus, schlieĂt ihn aus der eingeschworenen Gemeinschaft aus.
2. Aufzug
Wir sehen Klingsor in einem Raum hoch ĂŒber der Szene inmitten von Kreuzen, einer sinnentleerten Ansammlung von Symbolen ohne Bedeutung. Dass er sich entmannt hat, reicht anscheinend noch nicht, er geiĂelt sich mit einer Peitsche. Als Gegenwelt unten auf der BĂŒhne der Zaubergarten, ein farbenfroh gekachelter Hammam hinter Gittern. Diesmal erleben wir die islamische Variante des Wassers als Motiv der Reinigung. BlumenmĂ€dchen betreten die Szene, sie tragen Tschador, ihre Gesichter sind verhĂŒllt. Uniformierung als Symbol von Ent-Individualisierung, sie sind reine FunktionstrĂ€gerinnen.
Kundry dringt in Parsifals Seele ein (âIch sah das Kind an seiner Mutter Brustâ) und schlĂ€gt die BrĂŒcke von der Mutterliebe zur erotischen Liebe, ââŠsie beut dir heut als Muttersegens letzten GruĂ der Liebe ersten KussâŠâ
Dieser erkennt, dass er Schuld auf sich geladen hat und zum Ausbruch âAmfortas! Die Wunde!â zerbricht er den Speer und formt daraus das Kreuzzeichen. Mit dem Grals-Motiv zerstört Parsifal Klingsors Zauberreich.
3. Aufzug
Viele Jahre sind vergangen. Die Musik ist suchend, die Tonika wird nicht erreicht, was Parsifals Irrfahrten symbolisiert. Das ausdrucksvolle, sehr langsame Vorspiel trÀgt seine weihevolle Stimmung in die erste Szene hinein. Das einst so schmetternde Parsifal-Motiv ordnet sich dieser Statik unter. Genau wie Kundry muss auch Parsifal leiden, es gibt keinen Umweg, er muss seinen Weg gehen.
Wieder fĂŒhrt eine breit anwachsende Verwandlungsmusik, dominiert vom archaischen Glocken-Motiv, in den Gralstempel.
Die Kirche ist mittlerweile noch weiter verfallen, riesige Pflanzen wachsen hinein, die Natur erobert sich die Architektur zurĂŒck. Kundry und Gurnemanz sind zu Greisen gealtert, Gurnemanz braucht zeitweise einen Rollstuhl zur UnterstĂŒtzung, Kundry ist gebeugt und leidet an einem ĂŒblen Tremor. Sie warten auf etwas. Titurel ist inzwischen gestorben. Kundry wird wieder von ihrer Bestimmung zu dienen getrieben, unentwegt putzt sie Dinge und hilft Gurnemanz. In diese Szene hinein platzt Parsifal, ein Ninja-KĂ€mpfer in einem schwarzen Kampfanzug, schwer bewaffnet. Er schaut sich um und legt die Waffen ab. Gurnemanz erkennt ihn schlieĂlich. Als erstes Amt tauft Parsifal Kundry, die ihm die FĂŒĂe wĂ€scht, eine biblische Szene zwischen Jesus und Maria Magdalena, und nun kann Kundry endlich weinen. Gurnemanz salbt Parsifal zum neuen Gralskönig. Mit der Melodie des Karfreitagszaubers erwacht die Natur zu neuem Leben. Gurnemanz erklĂ€rt Parsifal den Sinn des Karfreitags, die Passion, die Hingabe von Gottes Sohn und damit den Erlösungsgedanken. Ein Wasserfall ergieĂt sich auf der HinterbĂŒhne in einem paradiesĂ€hnlichen Garten. Nackte Menschen tanzen unter dem Wasserfall, symbolisieren die entsĂŒhnte Natur, SexualitĂ€t ist plötzlich ohne SĂŒnde. Laufenberg zeichnet hier die Weltfamilie als Bild der Versöhnung, der Erlösung von SĂŒnde und Leid.
Im Gralstempel soll nun die letzte EnthĂŒllung des Grals stattfinden. Amfortas will endlich den Tod, der Gral muss noch einmal enthĂŒllt werden! Parsifal betritt die Szene, nun nicht mehr im Kampfanzug sondern in ziviler Kleidung. Er bringt den Heiligen Speer zurĂŒck und heilt damit Amfortas (âDen heilâgen Speer, ich bring ihn euch zurĂŒck!â)
Die Musik wandelt sich zu einem unendlichen zeitlosen Melodiefluss, der die Erlösung beschreibt. Mit dem Glaubens-Motiv legen die AnhĂ€nger der verschiedenen Glaubensgemeinschaften ihre religiösen Symbole in den Sarg, sie sind nicht mehr erforderlich. Zu den letzten Worten Parsifals âNicht soll er mehr verschlossen sein: EnthĂŒllet den Gral, öffnet den Schrein!â und einem klaren As-Dur-Dreiklang wird das Licht im Zuschauerraum langsam aufgeblendet, der Gralstempel wird aufgelöst, die BĂŒhne leert sich, alle gehen nach hinten ab.
Es erklingt vom Chor die zentrale Botschaft âHöchsten Heiles Wunder! Erlösung dem Erlöser!â Es ist eine gnostische Botschaft; die Idee von der Selbsterlösung des Menschen, der Mensch wird nicht erlöst, sondern erlöst sich selbst und den leidenden Gott in sich. Es ist eine Befreiung von Dogmen und Institutionen. Uwe Eric Laufenberg gibt mit seiner Deutung keine Antworten. Er verweist uns an uns selbst zurĂŒck.
Wie wirken sich nun ein neuer Dirigent und zahlreiche Umbesetzungen auf die Produktion 2018 aus? Die Ăbernahme der musikalischen Leitung durch Semyon Bychkov erweist sich als Ă€uĂerst positiv. Hartmut Haenchen zeichnete sich durch ein kĂŒhles, klares Dirigat aus, Bychkov geht das Werk etwas emotionaler an.
Er wĂ€hlt insgesamt ein etwas langsameres Tempo, zeichnet groĂe Bögen, die Musik atmet ĂŒber weite Strecken eine groĂe Ruhe. Dadurch verlĂ€ngert sich die GesamtauffĂŒhrungsdauer gegenĂŒber Hartmut Haenchen 2017 um etwa 10 Minuten. Wer sich nun fragt, wie der Dirigent es schafft, sich mit seinem (langsameren) Tempo dem Video in der Verwandlungsmusik anzupassen, wird mit der Information ĂŒberrascht: Es geht genau umgekehrt, nĂ€mlich dass sich das Video der Musik anpasst. Das Video besteht aus mehreren Clips, die in Entsprechung zur Musik mit dem musikalischen Moment auch bei Bychkovs langsamerem Tempo manuell auf musikalische Stichworte synchronisiert werden.
Das Vorspiel zum 1. Aufzug gestaltet er ruhig, so dass man wirklich von âweihevollâ sprechen kann. Wobei sich âWeiheâ hier nicht zwingend durch Langsamkeit vermittelt. Das Tempo atmet, ist ruhig flieĂend, insgesamt wirkt das Dirigat unaufgeregt-professionell. Hier ist jemand am Werk, der weiĂ, was er tut. Orchester und Solisten sind bei ihm in guten HĂ€nden. Die Horngruppe klingt sehr organisch, das Tempo ist getragen, die Motive der Flöte wirken manchmal leicht verzögert, wie ausgeweitet ĂŒber dem Streicherteppich.
In der Rolle des Gurnemanz (eine Neubesetzung gegenĂŒber Georg Zeppenfeld in den Jahren 2016 und 2017) ĂŒberzeugt der im österreichischen Waidhofen an der Ybbs geborene GĂŒnther Groissböck mit kraftvollem wohltimbriertem Bass.
Im Hintergrund ertönt von der BĂŒhnenmusik das Gralsmotiv, die Streicher klingen wunderbar ruhig, gehen vom Mezzoforte ins Mezzopiano, so dass das Gralsmotiv hervortreten kann. Groissböcks auĂerordentlich deutliche Diktion (in anderen Produktionen dieser Festspielsaison bei manchen Kollegen schmerzlich vermisst!) trug jedes Wort auch bis in die hinteren Reihen, was bei einer so groĂen Partie von enormer Wichtigkeit ist. Im Monolog des Gurnemanz ĂŒber Kundry bei âals unser Herr den Speer verlorâ oder âOh, wundenwundervoller heiliger Speerâ, âden Zaubârer zu beheerenâ ist wirklich jede Silbe deutlich artikuliert. âDem Heilthum baute er das Heiligthumâ gerĂ€t relativ zĂŒgig ohne jedoch zu eilen.
Allein schon durch den Umfang der Rolle, aber nicht nur, wird Groissböck zum zentralen Element des Abends. Gurnemanz kĂŒmmert sich um die Ritter und Knappen, um Kundry, erkennt Parsifal als den âreinen Thorenâ, sorgt dafĂŒr, dass Amfortas versorgt und der Gral enthĂŒllt wird, ohne Gurnemanz geht hier eigentlich nichts und ohne Groissböck auch nicht. Im ersten und dritten Aufzug ist er stets gefordert und fĂŒllt diese groĂe Partie souverĂ€n aus, stimmlich und auch darstellerisch. PrĂ€sent von der ersten bis zur letzten Note meistert er die enormen Anforderungen der Rolle und ĂŒberzeugt wie immer durch exzellente TextverstĂ€ndlichkeit, was bei dieser Menge an Text wirklich zentral ist.
Amfortas erlebt 2018 ebenfalls eine Neubesetzung. Nach Ryan McKinney singt nun Thomas Johannes Mayer die Partie. Wohlklingend und voller Ăberzeugung vermittelt er glaubwĂŒrdig die Verzweiflung des Geplagten, dessen Wunde sich nicht schlieĂen will. âDurch Mitleid wissend, der reine Torâ gerĂ€t fragil und fragend. An der Stelle âaus Dank fĂŒr Deine Treueâ kommt Mayers tiefe Lage gut zur Geltung. Auch darstellerisch ĂŒberzeugt er als Schmerzensmann und berĂŒhrt vor allem in den Abendmahlszenen, als er wie der gekreuzigte Christus mit Lendenschurz und Dornenkrone auf dem Altar steht und ein Ritter die Wunden erneut öffnet, damit die Gralsritter von seinem Blut trinken können.
In der Rolle des Klingsor erlebt das Publikum den australischen Bariton Derek Welton, seit Ensemblemitglied der Deutschen Oper Berlin, wo er bereits einige bedeutende Wagnerrollen gesungen hat. Gerade in den Szenen mit Kundry beeindruckt Welton durch einen entschlossenen zupackenden Klang von groĂer Substanz und Farbenreichtum.
Der österreichische Tenor Andreas Schager glĂ€nzte nach 2017 erneut in der Rolle des Parsifal, die im ersten Jahr mit Klaus Florian Vogt eher lyrisch besetzt war. Schager konnte sich 2018 jedoch in IntensitĂ€t und Ausdruck gegenĂŒber dem Vorjahr noch enorm steigern. Insbesondere an den zentralen Stellen wie bei âAmfortas! Die Wunde!â und âDen heilâgen Speer, ich bringâ ihn euch zurĂŒckâ oder âNur eine Waffe taugtâ ist Schager absolut prĂ€sent und auf den Punkt. âAmfortas! Die Wunde!â ist von einer derartigen IntensitĂ€t, dass der Zuhörer völlig in seinen Bann gezogen wird. Der etwas abgenutzte weil inflationĂ€r zitierte âGĂ€nsehautmomentâ â hier ist er wirklich da. In diese Worte legt Schager soviel Kraft und Ausdruck, dass es einem Angst machen kann, er könnte seiner Stimme schaden. Dennoch wirkt er stets kontrolliert und dosiert, so dass man sich doch wieder auf dem Holzklappsitz zurĂŒcklehnen und weiteratmen kann. FĂŒr die Rezensentin war es einer der ganz groĂen Momente an diesem Abend.
Auch die Partie des Titurel ist mit Tobias Kehrer (geboren in Dessau, seit der Spielzeit 2012/13 Ensemblemitglied der Deutschen Oper Berlin) exzellent besetzt. Der junge Bass interpretierte die Rolle sehr glaubwĂŒrdig und mit beeindruckender IntensitĂ€t sowohl sĂ€ngerisch als auch darstellerisch. Bereits mit den Worten âMein Sohn Amfortas, bist du am Amt? Soll ich den Gral heutâ noch erschauân und leben?â hat er die Gunst des Publikums auf seiner Seite. âWie hell grĂŒĂt uns heute der Herrâ gerĂ€t besonders schön und ausdrucksvoll.
Eine weitere âHauptrolleâ stellt neben den durch die Reihen groĂartigen Solisten an diesem Abend der Chor dar. Die Chöre haben auch im Parsifal eine zentrale Rollen, seien es die kleinen Ensembles aus Knappen und Rittern (allesamt sehr gut besetzt!) oder die groĂen Herrenchöre und die Tutti-Chöre. Der phantastische Chor der Bayreuther Festspiele (Einstudierung: Eberhard Friedrich) stellt auch an diesem Abend seine hohe QualitĂ€t erneut unter Beweis. Dynamisch differenziert und stets prĂ€zise ist er einer der Höhepunkte der Vorstellung, er trĂ€gt ganz maĂgeblich zum groĂen Erfolg dieser Produktion bei. Besonders berĂŒhrend sind die Chöre der Gralsritter âZum letzten Liebesmahleâ, feierlich sakral vom Orchester begleitet. Von groĂer PrĂ€zision auch die Frauenstimmen bei âDer Glaube lebt, die Taube schwebt, des Heilands holder Boteâ, eine Stelle, die gerne mal intonationsgefĂ€hrdet ist, hier jedoch absolut prĂ€zise erklingt.
Die Knaben aus der Höhe verzaubern bei âWein und Brod des letzten Mahles wandeltâ einst der Herr des Grales durch des Mitleids Liebesmachtâ mit Zartheit und Leichtigkeit, einem berĂŒckenden Piano, das sich poco a poco crescendo steigert, in der Dynamik ebenso wie im Ausdruck. Als die Ritter einsetzen, steigert sich der Pathos weiter bei âFroh im Verein, brudergetreu zu kĂ€mpfen mit seligem Muthe!â Diese Steigerung wird unterstrichen durch die HolzblĂ€ser (Flöte) und die Streicher, das Motiv der Gralsglocken wird stetig wiederholt, bis schlieĂlich einzelne Glocken ĂŒbrig bleiben. An dieser Stelle bleibt Parsifal allein auf der BĂŒhne zurĂŒck und nimmt einen einzelnen Tropfen Blut vom Boden auf, eine scheinbar kleine Szene, aber von groĂer IntensitĂ€t.
Im zweiten Aufzug kann Elena Pankratova der Kundry eine andere FĂ€rbung geben als im ersten. Hier ist sie nicht die Dienende, sondern die VerfĂŒhrerin. Vor dem Hintergrund einer rauschhaften unruhigen Musik in den Streichern ruft Klingsor Kundry: âHerauf! Herauf! Zu mir! Dein Meister ruft dich NamenloseâŠ!â Pankratova ĂŒberzeugt vom ersten Klagen ĂŒber die stimmlich mörderischen Kundry-Rufe, die sie technisch beeindruckend meistert. Ihr Sopran ist voll und warm, dunkel timbriert in der Tiefe, kein bisschen forciert, stets perfekt gefĂŒhrt und farbenreich in allen Registern. âIch sah das Kind an seiner Mutter Brustâ berĂŒhrt zutiefst, ist von groĂer Brillanz und Strahlkraft, vermittelt aber auch eine groĂe Zartheit als Kundry Parsifal von seiner Mutter erzĂ€hlt und ihm seinen Namen in Erinnerung ruft.
Auch im zweiten Aufzug erfreuen und begeistern die kleineren Solorollen wie die BlumenmĂ€dchen. ZunĂ€chst noch von schwarzen Tschadors verhĂŒllt, legen sie diese bald ab â zum Vorschein kommen orientalische Bauchtanz-KostĂŒme â und ziehen Parsifal ins Bad. Dass er sich nur allzu gerne von ihnen zum Spielen auffordern lĂ€sst, ĂŒberrascht nicht, ist doch ihr Gesang betörend-entrĂŒckend schön, Bychkov nimmt das Orchester wenn nötig zurĂŒck, so dass die Stimmen von Ji Yoon, Katharina Persicke, Mareike Morr, Alexandra Steiner, Bele Kumberger und Sophie Rennert nicht nur Parsifal, sondern auch das Publikum verfĂŒhren können.
Im dritten Aufzug können Groissböck und Schager noch einmal richtig aufdrehen und tun es auch. Mit âSo segne ich dein Haupt! Als König dich zu grĂŒĂenâŠâ ist Groissböck auch nach der langen Pause (zweiter Aufzug plus zwei Stunden Pause) sofort wieder prĂ€sent.
Schager singt und spielt absolut berĂŒhrend âMein erstes Amt verrichtâ ich so. Die Taufe nimm, und glaubâ an den Erlöser!â Eine weitere zentrale Stelle zwischen beiden ist âWie dĂŒnkt mich doch die Aue heut so schön!â und âDas ist Karfreitagszauber, Herr! ⊠Das dankt dann alle Kreatur, was allâ da blĂŒht und bald erstirbt, da die entsĂŒndigte Natur heut ihren Unschuldstag erwirbt.â Der Text wird unterstrichen von sanfter Musik, Seufzermotive erklingen im Piano in den HolzblĂ€sern, bis die Glocken wieder einsetzen.
Ein weiteres Video (GĂ©rard Naziri) wird abgespielt, wiederum angepasst auf die Musik (Immer feierlich das Zeitmass zurĂŒckhaltend), und wir erblicken das Portal ausfĂŒllend die Gesichter von Winifred und Wolfgang Wagner und schlieĂlich die Totenmaske Richard Wagners. Ein Wasserfall und die Glocken beenden das Video.
Die von Laufenberg so bezeichnete âWeltfamilieâ kommt zusammen und der Herrenchor beeindruckt noch einmal mit ergreifend interpretiertem âGeleiten wir im bergenden Schrein den Gral zum heiligen AmteâŠâ Auch der Chor besticht durch sehr gute TextverstĂ€ndlichkeit.
Die Ritter wenden sich an Amfortas mit den Worten âWehe! Du HĂŒter des Grals! Sei deines Amtes gemahnt zum letzten Mal! Zum letzten Mal! Zum letzen Mal!â, was durch die mehrfache Wiederholdung und die Chromatik sowie das stetige Crescendo und die Pauken seine Wirkung nicht verfehlt.
Amfortas stolpert und bricht am Sarg Titurels zusammen. Thomas Johannes Mayer gestaltet diese Szene eindringlich; man glaubtdie Schmerzen des Amfortas selbst zu spĂŒren und wĂŒnscht ihm und sich sehnlichst Erlösung sehnlichst. âKönnt ihr doch Tod nur mir geben! Hier bin ich, die offne Wunde hier!â
Endlich naht die Erlösung in Gestalt Parsifals und Schager schmettert die ersehnte Botschaft âNur eine Waffe taugt! Die Wunde schlieĂt der Speer nur, der sie schlugâ Amfortas und den Rittern entgegen. Mit den Worten âDen heilâgen Speer, ich bringâ ihn euch zurĂŒck!â legt er diesen in den Sarg. Die Aufgabe ist vollbracht, er verwaltet jetzt Amfortasâ Amt und der Gral kann enthĂŒllt werden. Die letzten Worte erklingen âNicht soll er mehr verschlossen sein: EnthĂŒllet den Gral, öffnet den Schrein!â
An dieser Stelle hat Wagner die Anweisung âSehr langsam und feierlichâ in die Partitur geschrieben; Bychkov befolgt dies. Die religiösen Symbole sind obsolet geworden und werden im Sarg âbeerdigtâ, dichter Nebel hĂŒllt die BĂŒhne ein, zurĂŒck bleibt Parsifal, am Sarg kniend legt er noch einen schweren Stein auf den Speer im Sarg, geht sodann nach hinten ab und verschwindet im Nebel. Im Orchester erklingt ein strahlendes As-Dur, wĂ€hrend das Licht im Saal langsam aufgeblendet wird. Die letzten StreicherklĂ€nge im Piano verklingen, es breitet sich tatsĂ€chlich ein Moment absoluter Stille aus. Der Hirte schaut von der Galerie herab auf die BĂŒhne.
Nach der kurzen Stille bricht das begeisterte Publikum in Jubel aus, zwei kurze Buhs gehen im frenetischen Applaus unter und die Zuschauer feiern mit Recht ein groĂartiges Ensemble und ein phantastisches Festspielorchester unter Semyon Bychkov sowie einen beeindruckenden Festspielchor.
Premierenkritik Festspiele âParsifalâ in Bayreuth:
Was ist denn hier passiert?
BAYREUTH. Nach zwei eher mĂŒhsamen Saisons zeigt sich die Inszenierung des BĂŒhnenweihfestspiels zu Beginn ihrer dritten wie verwandelt. Das liegt an ein paar PrĂ€zisierungen auf der ProbebĂŒhne. Aber vor allem an einem Mann, der mit der Inszenierung gar nichts zu tun hat.
