Rezension Hanns-Eisler-Revue

Berliner Ensemble: „Hanns-Eisler-Revue“

Hanns Eisler, 1898 in Leipzig geboren und 1962 in Berlin gestorben, war ein Grenzgänger zwischen Musik und Politik. Bei Arnold Schönberg lernte er die „neutönenden“ Klänge der musikalischen Moderne kennen, als Mitarbeiter von Bertolt Brecht gab er dem epischen Theater eine musikalische Sprache und engagierte sich für die Kommunisten. Als der vor den Nazis ins Ausland geflohene Künstler aus dem US-amerikanischen Exil nach Deutschland zurückkehrte, wurde die DDR seine neue Heimat, für die er, zu einem Text von Johannes R. Becher, die Nationalhymne komponierte. In Berlin trägt die Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ seinen Namen. Am Berliner Ensemble, wo Eisler nach dem Krieg mit Brecht arbeitete, hat Manfred Karge jetzt eine Hanns-Eisler-Revue auf die Bühne gebracht.

Es wird von den Schauspielern nicht nur ausgezeichnet und vielstimmig gesungen und von einem zwölfköpfigen Orchester (unter Leitung von Tobias Schwencke) frisch und frech sowie gelegentlich auch geradezu jazzig musiziert, die Songs werden auch in szenische Miniaturen eingebettet. Bühnenbildner Karl-Ernst Herrmann hat die Bühne frei geräumt und im Hintergrund eine Leinwand installiert. Darauf erscheinen Lieder-Titel, Zeichnungen und Fotos, die den jeweiligen Song und das auf der leeren Bühne mit schwarz-weißen Kostümen (von Jessica Karge) und Roten Fahnen angedeutete Sing-Spiel kommentieren. Denn das ganze musikalische und szenische Treiben ist vor allem eine Hommage an Hanns Eisler, dem man einen Lorbeerkranz winden möchte.

Brecht-Schüler Manfred Karge will beweisen, wie zeitlos die Eisler-Kompositionen sind und wie dringend nötig wir – in Zeiten der globalisierten Ego-Gesellschaft – eine politisch aufklärende und eingreifende Kunst hätten. Nach zwei ebenso unterhaltsamen wie lehrreichen Stunden muss man sagen: es gelingt ihm, auch wenn man nicht leugnen kann, dass die Eisler-Revue eine gehörige Portion Nostalgie im Gepäck hat, die das Herz der Altvorderen erwärmte und Brechtinterpretin Gisela May animierte, nach der Pause sich vor der Bühne aufzubauen, eine improvisierte Rede zu halten und von ihrer Zeit mit Eisler und Brecht zu schwärmen, solange bis Intendant Claus Peymann sie rüde abwürgte.

Hanns Eisler ist die Handlung, sein Leben und sein Werk bilden die Geschichte: Auf der Leinwand erscheinen immer wieder Eisler-Fotos aus allen Lebenslagen, es gibt eine über die Bühne wandelnde Eisler-Puppe und – in Person von Schauspieler Roman Kaminski – einen Eisler-Wiedergänger, der zwischen den Songs Anekdoten erzählt. Die Songs haben diese theatralischen Kinkerlitzchen wohl gar nicht nötig, denn die Kompositionen, die Eisler für Brecht geschrieben hat, haben noch immer eine verstörende, aufrüttelnde Kraft, wie man am Beispiel des Liedes „Ändere die Welt, sie braucht es“ hören kann, das Eisler 1930 für Brechts „Die Maßnahme“ komponierte. Ändere die Welt, sie braucht es: wer könnte dieser Brecht-Aufforderung – auch heute noch – ernsthaft widersprechen.

Neben Songs aus Brechts Maßnahme (1930) hat Manfred Karge auch „Das Vielleicht-Lied“ und „Die Ballade vom Wasserrad“ aus „Die Rundköpfe und die Spitzköpfe“ (1934) ausgewählt, daneben einige „Wiegenlieder“, die Eisler und Brecht für das Stück „Die Mutter“ (1932) geschrieben haben und die im BE von Swetlana Schönfeld voller Zärtlichkeit und Melancholie gesungen werden. Die Resolution der Kommunarden aus Brechts „Die Tage der Kommune“ wird gesungen und natürlich auch das „Solidaritätslied“ (1931), das Eisler für Brechts Film „Kuhle Wampe“ komponierte. Aber es gibt auch einige Kompositionen, die Eisler nach den Texten von Walter Mehrung, Kurt Tucholsky und Johannes R. Becher geschrieben hat.

Die DDR-Nationalhymne (Text: Becher, Musik: Eisler) wird zum Glück nicht wieder aufgewärmt. Aber Brechts Kinderhymne (Anmut sparet nicht noch Mühe), als Gegenstück zur Nationalhymne gedacht und vertont von Eisler, wird gesungen. Und als wehmütiger Abschiedsgruß des Ensembles ans Publikum Bechers Volkslied über „Die alten Weisen“, das Hanns Eisler vertont hat und in dem es heißt:

„Es sind die alten Lieder,
die singen neu aus mir,
und wie vorzeiten wieder
am Abend singen wir.

Es ist in uns ein Raunen
und wird zum großen Chor,
und zu den Sternen staunen,
staunen wir empor!“

Frank Dietschreit, kulturradio