Revolutionsabend 2. Teil

Dantons Tod

 

G. Büchner
R: Petra L. Meyer
B: Susanne Füller
K: Jessica Karge

Mit:
Moritz Führmann,
Carsten Kochan,
Ulrich Rechenbach,
Christian Klischat,
Helge Sauer,
Tobias Rott,
Henrik Schubert,
Roland Kuchenbuch,
Caroline Lux,
Nicole Schubert,
Jaqueline Macaulay,
Helmut G. Fritzsch

P: 7.03.2009

Fotos: ⓒ Bernd Uhlig

Rezension

Die Robespierres bestimmen den Verlauf der Geschichte

von A. Cromme
Berliner Theaterkritiken
15.12.2013

2. Teil

1. Teil siehe Eine Deutsche Revolution

 

Alles in weiß, Unschuld, Heiterkeit, Lebensleichtigkeit. Nach der Revolution. Es erscheinen in gleißender Helligkeit, sich gegenseitig den Vortritt gewährend, zwei junge Männer, der eine mit schwarzer Brille geschützt, der andere herumkaspernd, in der Hand ein kleines Spielzeug: eine Guillotine. Die bewegt Moritz Führmann als reizend unbeschwerter Danton wie ein Kind im rasenden Tempo auf und ab, auf und ab. Die Köpfe rollten in der französischen Revolution. Und nicht zu knapp. Allein Danton verantwortet den Tod von rund 1ooo Menschen, die in der Bastille gefangen gehalten wurden. Jetzt scheint alles vorbei, man könnte regieren, die politischen Verhältnisse verbessern, ein gerechtes Leben führen und seine Annehmlichkeiten genießen, denn die Blutsarbeit ist erledigt. In Dantons Freundeskreis wird gefeiert, man trinkt und flirtet mit schönen Frauen im rosaroten Schein der feudalistischen Prachträume. Doch als die alten Kämpfer Danton und Robespierre Arm in Arm auf dem langen Laufsteg ins Publikum hineinschlendern, wird schnell deutlich, dass hier ein Spiel bereits beendet ist: Hinter Dantons Frohsinn steckt die schwere Last der Schuld, die peinvolle Erinnerung an die unzähligen Opfer; hinter Robespierres dunkler Despotenbrille der steinerne Asket, der aller Lebensfreude abgewandte Machtmensch, der den Feind seiner Ziele in jeder Phase erkennt und um jeden Preis opfern wird. Denn der lagert sich in bedrohlicher Nähe, lebt bereits in Wollust und Wohlstand und gefährdet sein, Robespierres Anspruch: die totale Herrschaft über eine ungleiche, ungerechte, unvollkommene, dekadente Welt zu erreichen, der sich bereits einige seiner engsten Freunde verschrieben haben, um sie endgültig zu beseitigen.

“Die Revolution ist wie Saturn, sie frisst ihre eigenen Kinder”; diese Erkenntnis hat der junge Georg Büchner vom dem französischen Revolutionär Pierre Vergniaud übernommen, den Alphonse de Lamartine dann später in seiner “Historie des Girondins” verewigt hat. Büchner hat sie mit einer unheimlichen Vision für die nächsten Jahrhunderte prophezeit, und anhand der Französischen und der missglückten späteren deutschen Revolution ein für allemal an die Wand der Welt geschrieben. Tobias Rott ist der natürliche Gegenpart Dantons, dessen Leichtigkeit steht er mit unerbittlicher moralischer Strenge, aber auch mit einer psychologisch fein grundierten Erklärung für seine Sprach- und Hilflosigkeit gegenüber, die alle späteren Tyrannen voraussieht. Doch deren ideologisch einflussreichen Einflüsterer sind stets blind und fanatisch auf die Macht fixierte Ratgeber, wie hier der von Henrik Schubert in bösester rhetorischer Brillanz gespielte Intellektuelle St. Just. Er beherrscht die diabolische Demagogie, mit der er das Volk auf seine Seite bringt. (sehr eindrucksvoll ist hier Helmut G. Fritzsch als Vertreter der stets beeinflussbaren, hysterischen Masse, die heute Hurra schreit, und morgen die Kreuzigung verlangt!
Als Danton sich besinnt und die Realität, die kein Verweilen in Träumen und Illusionen erlaubt, wieder erfasst, ist es bereits zu spät; gebrandmarkt vom Gräuel der Revolutionäre, verführt vom süßen Leben und der Liebe schöner Frauen, kann er nicht glauben, dass ihn sein Gefährte und Freund opfern wird. Und mit ihm alle, die glaubten, den Weg für neue Wertmaßstäbe vorbereitet zu haben und die nun mit ihren gescheiterten Idealen auf ihre Hinrichtung warten.

Kunstvolle Methodik und historische Zitate und Abläufe sind geschickt miteinander verbunden und schaffen eine starke Spannung zwischen privater Atmosphäre und politischem Anspruch. Das ist, wenn Ideale sich in ihr Gegenteil verkehren und eine allgemeingültige Ernüchterung über den gespaltenen menschlichen Charakter sowie die Unmöglichkeit einer idealen Gesellschaft offenbaren, immer wieder ergreifend. Büchners Sturm- und Drangbedürfnis mag die Abschiedsszene der verzweifelten Lucile (Nicoline Schubert) entspringen, die in der zu lang gestreckten Tragik verglüht. Auch der Schluss, als Lucile mit dem todbringenden royalistischen Kampfesruf gegen die Mörder ihres Mannes und Verräter der Revolution aufbegehrt, hat nicht mehr die radikale Wirkung, die er haben sollte! Das mag dem naiven Opfergedanken des Dichters entsprechen, der als jugendlicher Feuergeist den Tod romantisch überhöhte.

Die Interpretation der für Büchners Zeit ja noch in greifbarer Vergangenheit liegenden Ereignisse, deren Geistesgut in die deutschen Lande übergriff und hier – bei völlig anderen Strukturen und Mentalitäten – vorerst beträchtliches Leid und Unheil anrichtete, wird Unterricht und Abiturientenaufsätze befeuern. Es ist ein geniales Werk eines hochbegabten und gebildeten jungen Dichters, dessen kurzes Leben (Georg Büchner starb 1837 mit 24 Jahren an den Folgen einer Typhuserkrankung in Zürich) und das Schicksal seiner hartnäckigen Mitstreiter in dem nächsten Stück in einer dramaturgisch äußerst naturalistischen Inszenierung dargestellt wird.