Ein Bild von Ivan

P. Fox  Video
R: Boris v. Poser
B: Timo von Kriegstein
K: Jessica Karge
M: Moritz Gagern
Schauburg München

P: 05.04.2016

Mit:
Lucca Züchner, Sophie Wendt,
Markus Campana, Nick-Robin Dietrich,
Peter Wolter

© Schauburg München

 

 

Inszenierung

 

In dem Roman ist Miss Manderby geradezu büchersüchtig, und damit hat sie viel Ähnlichkeit mit Paula Fox. Aus der schwierigen Kindheit entfloh die Autorin durch Lesen in eine bessere Welt. In ihrer Autobiographie beschreibt sie das so: „Ich konnte aus den beengten Verhältnissen verschwinden und an anderen Orten wieder auftauchen, wo die Geschichten aus der Phantasie der Zuschauer spielen: Wo ein skrupelloser Ganove das Schicksal eines misshandelten Jungen verändert, wo eine Wasserratte und ein Maulwurf am Ufer eines Flusses picknicken, wo ein Waisenjunge Piraten zu einem vergrabenen Schatz führt, wo ein kleines Mädchen durch einen magischen Trunk so schrumpft, dass es in einen verzauberten Garten eintreten kann. Damals gab es natürlich noch kein Fernsehen. Aber wir hatten ein Radio. (…) Was für klangvolle Stimmen! Was für eine Fülle an Geräuschen: Gongs, Pferdegetrappel, Schiffssirenen, brechende Wellen, Nebelhörner, scheußliche Schurkenstimmen, klare, fröhliche von Helden und Heldinnen, und alles, alles unsichtbar und doch in einem Zimmer, wo ich zuhörte, ungleich lebhafter gegenwärtig als die Bilder heute im Fernsehen, die den Raum besetzen, den die Phantasie einst ins Grenzenlose dehnte.“
Wie muss eine Theaterinszenierung dieses luftigen, magischen und zugleich ernsthaften Textes aussehen, die der Vorlage gerecht wird, die  vergleichbare Impulse beim Zuschauer auslösen kann wie der Vorgang des Lesens?

Der Regisseur Boris von Poser hat eine theatralische Form und Ästhetik für diese Aufgabe gefunden. Er hat die Vorlage für das Ensemble bearbeitet und großen Wert darauf gelegt, die Geschichte wie unter einem Vergrößerungsglas zu zeigen, voller Empathie für alle Figuren. Die Spieler wechseln zwischen Rolle und Erzähler, wobei die Erzähltexte die Innenwelt Ivans hervorheben und die Zuschauer auf dem intensiven Entwicklungsweg des verschlossenen Ivan begleiten. Boris von Poser konzentriert sich nicht nur auf die vordergründige Handlung, sondern sucht immer die versteckte Geschichte dahinter. Paula Fox hat einmal gesagt: „Das Leben ist wie eine Eisschicht. Alles, worauf es ankommt, liegt darunter. Und alles, was du tun kannst, ist die Oberfläche zu beschreiben.“ Dies könnte man als Arbeitsauftrag für diese Inszenierung verstehen. Die Spieler vermeiden jeden Anflug von Mitleid für den Jungen, sondern ziehen ihn – zusammen mit den Zuschauern – in ihre eigene Welt. Und diese Welt wird nicht realistisch abgebildet. Stattdessen wird der Wechsel zwischen Spiel- und Erzählszenen offen gezeigt, sodass immer klar ist, dass eine Geschichte erzählt wird. Denn das ist das große Thema. Geschichten können Lebenshilfe sein. Eine wichtige Unterstützung dabei sind das Bühnenbild und die Musik. Durch sie werden Vorstellungsräume eröffnet, die nicht abbildend oder illustrierend wirken, sondern Freiräume im Kopf für jeden einzelnen Zuschauer öffnen und so den persönlichen Zugang erleichtern.