Ariadne auf Naxos

ML: Markus Stenz
I: Uwe Eric Laufenberg
B: Tobias Hoheisl
K: Jessica Karge
L: Andreas Grüter
D: Hans Nadolny

Der Haushofmeister – Harald Kuhlmann
Ein Musiklehrer – Johannes Martin Kränzle
Der Komponist – Regina Richter
Der Tenor / Bacchus – Marco Jentzsch
Ein Offizier – Stefan Kohnke
Ein Tanzmeister – Martin Koch
Ein Perückenmacher – Sévag Tachdjian
Ein Lakai – Young Doo Park
Zerbinetta – Daniela Fally
Primadonna / Ariadne – Barbara Haveman
Harlekin – Miljenko Turk
Scaramuccio – Gustavo Quaresma
Truffaldin – Matias Tosi
Brighella – Jeongki Cho
Najade – Gloria Rehm
Dryade – Adriana Bastidas Gamboa
Echo – Ji-Hyun An
Statisterie der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln
 
P: 26.11.2011

 

 

Foto: © Karl und Monika Forster

Rezensionen:

Ariadne auf Naxos – oder – Die Harmonie der Gegensätze

Der Bürger, die Leichtigkeit und die Schwermut

von Viktor Jarosch
Kultur im Netz

Richard Strauss, 1864 – 1949, der wohl größte moderne deutsche Opernkomponist, war Frühstarter wie Spätvollendeter: Genieblitze wie die Sinfonische Dichtung Till Eugenspiegel, 1895 im Kölner Gürzenich erstmals aufgeführt, folgten epigonale, Wagner-orientierte Misserfolge, die Opern Guntram (1894) oder Feuersnot (1901). Erfolgreiches, immer der Tonalität verbundenes Musiktheater formte Richard Strauss erst 1905 mit Salome und seiner Hinwendung zum “realistischen Verismus”, der kompositorischen Entdeckung des Jugendstil, des Expressionismus, des Naturalismus. Dies und die langjährige, intensive Bekanntschaft mit dem Dramatiker und Lyriker Hugo von Hofmannsthal (1874 – 1929, u.a. Elektra) begründeten die Triumphe von Richard Strauss: Sechs Opernkompositionen, von Elektra (1908) über Ariadne auf Naxos (1912) bis Arabella (1932) brachte beiden Künstler dauernden Weltruhm.

Ariadne auf Naxos besitzt eine lange Entstehungsgeschichte: Die Premiere 1912 in Stuttgart blieb ein Achtungserfolg. Erst eine weitgehende Neufassung von Text und Komposition brachte den Durchbruch: 1916 an der Wiener Hofoper, der heutigen Wiener Staatsoper, erstmals aufgeführt gehört sie bis heute zu den meistgespielten Opern großer Musiktheater. Die Handlung: Der “reichste Mannes von Wien” will seinen Gästen etwas Kunst bieten. Die nur zu diesem Zweck komponierte ernste Oper “Ariadne auf Naxos” soll gespielt werden, anschließend die Tanzmaskerade “Die ungetreue Zerbinetta und ihre vier Liebhaber“. Der Komponist von “Ariadne” ist empört. Doch der Herr des Hauses befiehlt sodann zusätzlich, dass Posse und Trauerstück gleichzeitig aufgeführt werden sollen…..

Kölns Opernintendant und Regisseur Uwe Eric Laufenberg blickt auf eine lange Auseinandersetzung mit Ariadne auf Naxos zurück. Er kennt das Stück: 1997 inszenierte er Ariadne in Brüssel; 1998 in Straßburg, 1999 Berlin, dann Barcelona, Bilbao. Seine Brüsseler Urversion, ohne Vorspiel, überarbeitete Laufenberg nun für die Oper Köln, gelassen Leichtigkeit und Schwermut in den Lebensalltag projizierend. Im Palast des reichen Wiener Bürgers begegnen Künstler der Wucht des Geldes. Heroen und Halbgötter der griechischen Mythologie (Ariadne, Bacchus..) treffen auf irdische Leichtigkeit (Zerbinetta, Harlekin). Ernstes und leichtes Theater kontrastieren sich inmitten bourgeoisem Ambiente. Das Bühnenbild: Ein hoher, im Jugendstil gehaltener Festsaal mit Seeblick (Ariadnes laut Textbuch “wüste Insel Naxos” erahnend); der Saal bildet den werktreuen und wandlungsfähigen Rahmen dieses inszenatorisch so heiklen Stückes. Die von Strauss gesuchte Expressivität findet Laufenberg in meist ruhigem, ausdrucksstarkem Stil; die komplexe Handlung sanft stützend. Die Kostüme (Jessica Karge) entwickeln sich schlüssig zur Handlung; von einfachen Kleidern und Straßenanzügen hin zu den drohend, halluzinativen Traumfiguren in Ariadnes Erwartung des Todesboten. Manch weniger famose Regieeinfälle (Badbesucher zu Zerbinettas herrlicher Bravourarie) sind Teil von Laufenbergs insgesamt begeistert, fast tobend aufgenommener Neu-Produktion.

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Markus Stenz und das Gürzenich-Orchester setzen kammermusikalisch differenzierte Netze, transparent und farbig, die zahlreichen schnelle Stimmungswechsel mit agiler Virtuosität lenkend. Stenz und das Gürzenich-Orchester zeichnen so, sensibel und klug, die kommentierende Funktion der Partitur. Die wahre Überraschung der Premiere schaffte das weiblich dominierte, meist hauseigene Ensemble: Gast Daniela Fally als Zerbinetta spielt, beherrscht, tiriliert ihre große Partie, wie ihre spektakuläre Koloraturarie Großmächtige Prinzessin mit phänomenaler Schönheit und gut geführter Stimme. Doch: Das hauseigene Ensemble der Oper Köln, zudem noch zumeist in Rollendebüts, ist überraschend ebenbürtig: Verhalten begann Barbara Haveman ihr anspruchsvolles Rollendebüt als Ariadne. Doch bald ging Haveman´s Ariadne unter die Haut: Leuchtende Stimmschönheit führen zu einer Darstellung von getragenem Ernst und feuriger Fülle. Regina Richter als Komponist begleitet den Diskurs zwischen Ariadne und Zerbinetta uneitel, voller Emphase, mit rundem, vollem Mezzo-Timbre. Selbst zu einem manchmal etwas kräftig spielendem Orchester forcierte Richter mit strahlendem Glanz. Auch Jung-Tenor Marco Jentsch als Bacchus besteht das Rollendebüt glänzend: Elegant, differenziert, auch im Fortissimo sein Timbre behaltend. Die Hervorragende Besetzung zeichnet auch die vielen anderen Partien aus: Der Musiklehrer, Johannes Kränzle, sehr präsent und sicher. Der Haushofmeister, Harald Kuhlmann, mit passend guter Diktion. Die vier Komödianten (Harlekin Miljenko Turk, Scaramuccio Gustavo Ramos, Truffaldin Matias Tosi, Brighella Jeongki Cho) spielen, singen mit parodistischer Begeisterung. Wunderbar wohllautende Kantabilität wiederum zeichnet die drei Nymphen (Najade Gloria Rehm, Dryade Adriana Gamboa, Echo Ji-Hyun An) aus.

Die starken Ovationen der Kölner (und uns Düsseldorfer) empfand man als genuine Danksagung an ein einfühlsames Regieteam und ein großartiges Kölner Ensemble. Parodie und Trauer: Die Harmonie der Gegensätze, von der Oper Köln in Ariadne auf Naxos wunderbar auf die Bühne gebracht und bis zum 26. Dezember 2011 auf dem Spielplan.

Wie schade, dass Strauss die Ariadne nicht seriöser komponiert hat

von Stefan Schmöe
Online Musik Magazin

Sie ist schon weit herumgekommen, diese Inszenierung der Ariadne auf Naxos von Uwe Eric Laufenberg, ist am Brüsseler Monnaie (1997) ebenso gespielt worden wie am Liceu in Barcelona; sie reiste nach Strasbourg, Tel Aviv und Bilbao, und zwischendurch trennten sich gar Regie (nach Berlin zur Komische Oper) und Bühnenbild (nach Turin). Edita Gruberova hat darin gesungen und auch Adrianne Pieczonka, Robert Dean Smith ebenso wie Dale Duesing. Das alles ist nicht ohne Stolz gleich am Anfang des Programmhefts notiert (drollig, diese Chronik neben dem von wechselseitigen Selbstgefälligkeiten nur so strotzenden Briefwechsel zwischen Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, im Anschluss abgedruckt, zu lesen). Jetzt orientiert man sich in Köln an der „brüsseler Urversion“. Das klingt ja, als habe Laufenberg für diese künstlichste aller Strauss-Opern Rezeptionsgeschichte geschrieben. Nur: Warum sieht man das dem Geschehen auf der Bühne so wenig an?

Da ist natürlich das sehr eindrucksvolle Bühnenbild von Tobias Hoheisel, das berückend schön einen Saal im Stile der Wiener Sezession auf die Bühne stellt. Das ist offenbar eine Art Durchgangszimmer mit viel falschem Marmor im Haus des „reichsten Mannes Wiens“, und im zweiten Teil, der eigentlichen Ariadne-Oper nach dem einstündigen Vorspiel, geben die Vorhänge den Blick auf das Meer frei. Das fängt viel von der vermeintlichen Atmosphäre der Entstehungszeit der Oper ein (die erste Fassung entstand 1911 – das Gebäude der Secession in Wien 1908), blendet aber weitgehend aus, dass die Endfassung der Oper 1916 ziemlich unbeeindruckt vom Ersten Weltkrieg entstand (Jean-Pierre Ponelle hatte das in seiner Kölner Inszenierung aus den 70er-Jahren, die angesichts der Altersstruktur des Kölner Publikums noch so mancher Premierenbesucher im Kopf haben dürfte, viel stärker hervorgehoben). In diesem Rahmen funktioniert das ohnehin dankbar zu inszenierende Vorspiel sehr gut, und Laufenberg steuert eine liebevoll genaue Personenregie ohne Überraschungsmomente, aber mit viel Sorgfalt und Spielfreude bei. Für den viel problematischeren zweiten Teil, die „richtige“ Oper mit ihrer eigentlich unmöglichen Überlagerung von ernster heroischer Oper und komödiantischer Maskerade, da fehlt ihm allerdings eine tragfähige Idee.

 

Das beginnt mit der Entscheidung, die Oper im gleichen Bühnenbild wie das Vorspiel anzusiedeln – wobei die Situation des „Theater auf dem Theater“ aufgehoben scheint, weil es zu wenig erkennbare Querbezüge gibt. Vielmehr scheint die Ariadne-Oper autark und unabhängig vom Vorspiel abzulaufen. Auf die gewohnten Pappmaché-Felsen der „wüsten Insel“, so die Regieanweisung, verzichtet man gerne (auf ein modernes, mit einem Handgriff auch in diesem Marmorsaal aufzubauendes Zelt, in das sich Zerbinetta und Harlekin zum Liebesspiel zurückziehen, freilich auch). Ariadne als suizidgefährdete Dame der Gesellschaft, die sich nach hohem Blutverlust in Fieberträume hineinsteigert und allerlei dionysisches Personal mit teilweise üppigen Genitalien visioniert, das sich wechselseitig umbringt – da verfängt sich Laufenberg in dem natürlich immer richtigen Doppelsystem von Eros und Thanatos, letztendlich aber in einem unverbindlichen Mummenschanz.

 

Vor allem aber gelingt es Laufenberg nicht, die komödiantische Zerbinetta-Welt zu integrieren, die immer störend und letztendlich oft langwelig wirkt. Zerbinettas zentrale Szene („großmächtige Prinzessin“) findet weitgehend ohne Ariadne statt, ist viel mehr als Revue-Nummer mit Männerschar in Bademoden der 20er-Jahre angelegt, ohne erkennbaren Bezug zur Ariadne-Handlung und für’s staunende Publikum bestimmt – was ja nicht falsch ist, nur müsste die Figur dann doch über konventionelle Soubrettenklischees hinaus kommen. Daniela Fally betreibt eine in jeder Note bewunderungswürdige Stimmakrobatie, glänzt in perlenden Koloraturen ebenso wie mit samtig strahlender Höhe, kokett fließendem Legato und einem nie zu leichten, sehr präsenten Ton. Die leise Wehmut, die ganz große Interpretinnen der Rolle aber auch noch mitschwingen lassen, die sucht man hier vergebens, da bleibt es bei der mitreißenden, nicht unbedingt bewegenden Bravourarie – vielleicht auch, weil die Regie eben auch nicht mehr daraus macht.

Barbara Havemann überzeugt als attraktive, wenig divenhafte Ariadne mit nicht zu großem, aber immer kontrolliertem und vollem Ton. Eine glatte Fehlbesetzung dagegen ist trotz einiger sehr schöner lyrischer Töne Marco Jentzsch, dem für die zugegeben undankbare Partie des Bacchus sowohl Höhe als auch Kraft fehlen – warum muss ein guter Mozart-Tenor sich (und dem Publikum) das schwere und derart offensichtlich überfordernde Heldenfach antun? Regina Richter singt den Komponisten engagiert und glutvoll, doch mit viel Druck auf die Stimme und dadurch etwas eindimensional in der Klangfarbe. Herausragend ist Johannes Martin Kränzle als immer klangschöner Musiklehrer mit feiner Ironie; Miljenko Turk als agiler, in der Höhe aber enger Harlekin hat sicher schon bessere abende an der Kölner Oper gehabt als diesen. Die hübschen, hellen und direkten Stimmen von Gloria Rehm (Najade) und Ji-Hyun An (Echo) mischen sich ziemlich schlecht mit dem apart abgedunkelten, allzu unscharfen Alt von Adriana Bastidas Gamboa (Dryade) zu einem dadurch unausgewogenen Terzett.

 

Die Probleme der Regie lassen sich auch auf den Dirigenten Markus Stenz übertragen. Am Pult des guten, im Finale exzellenten Gürzenich-Orchesters triftt er ganz hervorragend den kammermusikalischen Tonfall der Musik, die sich trotz kleiner Besetzung pathetisch aufschwingt, aber bei Stenz nie dick klingt und am Ende einen ganz eigenen, unverwechselbaren Ariadne-Tonfall mit Jugendstil-Klangfarben erhält, wie man ihn sich schöner kaum denken kann. Vorher ist viel, manchmal zu viel, aus der Rosenkavalier-Welt zu hören. Seine Probleme hat Stenz wie Laufenberg offenbar mit den Komödianten, für die er keinen eigenen Stil findet, deren Musik er im eleganten Parlando-Ton mehr vor Banalitäten retten als zu eigenem Recht kommen lassen will. Ganz bezeichnend für Szene und Musik ist der Einfall, kurz vor Schluss den Komponisten die Ariadne-Bühne betreten zu lassen und mit dem heroischen Sängerpaar abzugehen, als wolle er sagen: Das ist das eigentlich wichtige an dieser Oper, der Rest ist eben doch „eine niedrige Posse in italienischer Buffo-Manier“, wie es im Vorspiel heißt. Dafür mag es ja Argumente geben (Laufenberg zitiert solche im Programmheft) aber warum spielt man dann ausgerechnet die schwierige Ariadne auf Naxos? Ausgerechnet auf diese zentrale Frage gibt die Regie (und auch die Musik) dann doch keine Antwort.


FAZIT
Diese Ariadne bleibt über weite Strecken an der – allerdings auf schönsten Hochglanz polierten – Oberfläche.

 

Das Opernglas

01.01.2011

Überhaupt erwies sich die punktgenaue Personenführung schnell als der eigentliche Trumpf dieser Inszenierung, so dass die pausenlos gespielte Aufführung auch nicht einen Moment langatmig wurde. Selbst das so schwer zu inszenierende Schlussduett mutierte hier einmal nicht zur szenischen Durststrecke dank Laufenbergs großartigem Einfall, Gott Bacchus gleich mit einer ganzen Truppe grotesk verkleideter Satyrn auf die Bühne zu schicken. Der Kontrast von Heiterem und Tragischem wurde so bis in die letzten Takte hinein durchgezeogen.

von Markus Schwering
Kölner Stadtanzeiger
28.11.2011

Uwe Eric Laufenberg und Markus Stenz bieten mit »Ariadne auf Naxos« eine herausragende Leistung und beweisen …, dass die Kölner Oper sich auf einem künstlerisch glanzvollen Weg befindet.
[…] Basis und Rahmen für die herausragende und vom Premierenpublikum angemessen gefeierte Produktion hatte der Hausherr selbst geliefert […]. Es handelt sich dabei um eine subtile Arbeit, einfalls- und assoziationsreich …, musikaffin, in der Optik zum Teil überwältigend, intellektuell fordernd und zugleich spielfreudig.
[…] Bemerkenswert aber vor allem, wie Laufenberg die beiden Sphären – Fin de Siècle und mythische Inselwelt – zur Einheit verschmilzt. Zu Beginn der „eigentlichen“ Oper bleibt das Lokal das nämliche, lediglich öffnen sich die rückwändigen Vorhänge zu einer mediterranen Szenerie mit Meer, leuchtendem Himmel und Strandliege. Entsprechend muss freilich das Theater-auf-dem-Theater-Moment zurücktreten – es störte die Entgrenzung zum Traum, zum Visionären, zur Phantasmagorie hin, die während des Bacchus-Zuges und im Schlussduett Ariadne/Bacchus mit Hilfe einer ausgefeilten Lichtregie Platz greift.
Es ist dies wohl der stärkste Augenblick des Abends, sein gut vorbereiteter Höhepunkt. Die Entscheidung, ob Ariadne in den Armen des Ankömmlings den Liebestod stirbt oder mit ihm auf Kreuzfahrt im Mittelmeer geht, bleibt dem Zuschauer überlassen. Ganz am Schluss darf, das ist Laufenbergs Zutat, noch einmal der Komponist auftreten, der Ariadne und Bacchus endgültig zusammenführt, ehe er mit Zerbinetta im Stübchen verschwindet. Ein starkes Symbol für die triumphale, die wirklichkeitserzeugende Macht der Kunst.

15 Minuten Ovationen – Laufenberg bei Premiere umjubelt

von Axel Hill
Express
28.11.2011

Auch für Uwe Eric Laufenbergs neueste Premiere, „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss, gab es Jubel und Ovationen. Mehr als eine Viertelstunde mussten sich die Sänger mit Laufenberg und Dirigent Markus Stenz verbeugen.
[…] Dank der fantastischen Sänger und Laufenbergs munterer Regie…ist das nicht nur ein Abend für Opern-Kenner.

von Dr. Olaf Zenner
Operapoint
28.11.2011

Fazit:
Das Publikum dankt den Mitwirkenden, eingeschlossen diesmal sogar das Regieteam, für einen überwältigenden Opernabend mit nicht endend wollendem Applaus.

[…]Die sowohl feingliedrige, doch auch zuweilen recht robuste Musik wird unter der Stabführung von Markus Stenz durchsichtig gestaltet. Überraschend genau artikulierend erweist sich Johannes Martin Kränzle als Musiklehrer. […] Regina Richter, die mit ihrem blühenden, intonationssicheren Sopran einen temperamentvollen Komponisten abgibt, dem man den Ärger darüber, daß er „seine“ Ariadne-Oper mit einer oberflächlichen Opera buffa kombinieren soll, gerne abnimmt. Barbara Haveman stellt die tief enttäuschte Ariadne mit voluminösem Sopran eindrucksvoll dar[…]. Ihr Partner Marco Jentzsch gewinnt als Bacchus sehr […]. Zauberhaft erlebt man die „Nymphen“ Rehm (Najade), Gamboa (Dryade), Ji-Hyun An (Echo), die Ariadne begleiten. Ihr mit sublimer Musik angelegtes Terzett Töne, töne, süße Stimme zum Opernende beschert den Liebenden Bacchus/Ariadne eine geradezu berückend pastorale Stimmung.
Die Darsteller der Commedia dell’Arte sind stimmlich ausgewogen, bringen das rechte Maß an Fröhlichkeit der trauernden Ariadne. Ihre Mitstreiterin Daniela Fally (Zerbinetta) überhöht geradezu das Quartett. Schon wenn sie dem wütenden Komponisten gegenübertritt, ist ihre deutliche Artikulation auffallend. Ihren Part hat Strauss über die Maßen breit angelegt: nachdem Ariadne ihre Trauer und Todessehnsucht in einer fast uferlosen Klage ausgedrückt, zeigt Zerbinetta das kraftstrotzende Leben. Die Partie ist mit aberwitzigen Koloraturen und Trillerketten ausstaffiert. Sie wird von vielen daher als die schwierigste Koloraturarie des Operngesangs angesehen. Darüber hinaus muß die Sängerin stets leicht und heiter vortragen. So hängt vielleicht der meiste Erfolg dieser Oper von der Darstellerin der Zerbinetta ab. Und das ist, ohne jeden Zweifel, an diesem Abend Daniela Fally gelungen.
[…]

von Bernhard Hartmann
Kölnische Rundschau
28.11.2011

[…] Die Bühne von Tobias Hoheisel […] entführt die Blicke des Publikums im Opernhaus in einen wunderbaren Saal aus der Zeit der Wiener Sezession.
Eine prachtvolle seitliche Marmortreppe, riesige Fenster, die im zweiten Akt als Anspielung auf die Naxos-Welt den Blick aufs Meer freigeben, zeigen aber weniger Stil als prunkvollen Protz. Statt der falschen Felsengrotte, womit der Ariadne-Teil laut Regieanweisung ausgestattet werden sollte, wird in der Halle der Villa von zahlreichen Nebendarstellern und Statisten in farbigsten Kostümen ebenso die erotisch aufgeladene Atmosphäre des Ariadne-Teils heraufbeschworen wie deren Komplementärseite Tod und Vergänglichkeit. Es ist genau diese Spannung, die auch die Titelfigur aushalten muss, deren Übergang von der Primadonna zu Ariadne die Sopranistin Barbara Haveman in ergreifende melancholische Gesangslinien fasst. Die Verschmelzung von Tragödie und Lustspiel, von Seria und Buffa, muss freilich auch in dieser Inszenierung Utopie bleiben. […]
Die auf die Spitze getriebene barocke Koloratur-Artistik dieser [Zerbinetta-] Arie richtet sich nicht ans traurige Herz der Königstochter, sondern in Wahrheit vor allem an die Ohren des Publikums – auch wenn die bezaubernde und mit virtuoser Brillanz singende Daniela Fally den Zuhörern am Ende den Rücken zuwendet.
Uwe Eric Laufenberg kann auf ein großartiges Ensemble zurückgreifen, wobei im Vorspiel vor allem Publikumsliebling Regina Richter in der Hosenrolle de gequälten Komponisten zu erwähnen wäre.
Harald Kuhlmann (Haushofmeister), der großartige Johannes Martin Kränzle (Musiklehrer), Marco Jentzsch (Tenor/Bacchus), Miljenko Turk (Harlekin) und viele weitere Solisten rundeten die großartige Leistung auf der Bühne ab. Im Orchestergraben steigerten sich die Gürzenich-Musiker […] unter Markus Stenz’ Leitung stetig. Ihnen scheint besonders die Melancholie der Ariadne zu liegen, die sie in betörende Klänge übersetzen. Das Publikum war begeistert.

von Christoph Zimmermann
KlassikInfo.de
27.11.2011

 […] Über den Wechsel von Gefühlen meditiert die Strauss/Hofmannsthal-Oper, deren Fassung mit nachkomponiertem Vorspiel (und ohne Molière-Aufschwemmung) mit Recht die gültige geblieben ist, ausgiebig. Zudem wurde wirkungsvoll die Figur eines jungen Komponisten eingefügt, der von den Schwärmereien über Musik als „heilige Kunst“ zu den Reizen ganz irdischer Liebe findet. So jedenfalls lässt Laufenberg seine Inszenierung ausklingen. Auch bei Ariadne vollzieht sich diese Metamorphose, in Köln mit Dämonen einer walpurgisnachtartigen Trieberotik und Figuren voller Todesvisionen. Ein Albtraum, der allerdings kathartisch zu neuem Leben führt.
Die Kölner Aufführung macht diese Schmerztherapeutik optisch sinnfällig, bleibt aber insgesamt in einem lyrischen Erzählfluss mit sinnfälligen Bildakzenten und heiteren Perforierungen. Dies fordert ja auch die Dramaturgie der Oper, welche Trauer und Freude, Tragik und Lebenslust in der Schwebe halten möchte. Nicht umsonst trotzte Hofmannsthal Strauss als Abrundung des großen Duetts Ariadne/Bacchus einen kurzen finalen Auftritt Zerbinettas ab.
Dieses empfindliche Gleichgewicht wird durch Laufenbergs Inszenierung sehr glücklich nachvollzogen, die Situation eines improvisierten Theaterspiels im Hause des „reichsten Mannes von Wien“ zwar kraftvoll ausgespielt, doch nicht komödiengestadelt. […]

von Michael Bischoff
BILD
28.11.2011

[…] Was für ein Erfolg! Mit Begeisterung feierte das Publikum am Samstag den neuesten Coup von Intendant Uwe Eric Laufenberg: »Ariadne auf Naxos« von Richard Strauss.
Er grub als Regisseur seine Urfassung von 1997 aus Brüssel (Belgien) wieder aus, besorgte sich für preiswertes Geld seine verliehene Originalkulisse aus Bilbao (Spanien) und würzte die Kölner Version mit viel Witz und großartigen Solisten.
Ein Top-Operngenuss zur Adventszeit.

theaterkompass
19.November 2011

Ernste Oper und heitere Buffonerie geben sich in »Ariadne auf Naxos« die Hand. Sie versuchen es zumindest, denn im Hause des reichsten Mannes von Wien soll die gerade frisch komponierte Oper »Ariadne auf Naxos« auf spontanen Wunsch des Mäzens gemeinsam mit dem Tanzlustspiel »Die ungetreue Zerbinetta mit ihren vier Liebhabern« gezeigt werden.

 

Als der Hausherr entscheidet, dass die beiden Stücke gleichzeitig aufgeführt werden sollen, ist die Operntruppe entrüstet, bereitet aber dennoch die Verbindung der Stücke vor. Der Komponist sieht diesen Plan als Frevel an seinem Werk, doch Zerbinettas Verführungskünste bringen ihn dazu, einzuwilligen. Die Vorführung beginnt …

„Ariadne auf Naxos“ war – nach den Opern „Elektra“ und „Der Rosenkavalier“ – die

dritte gemeinsame Arbeit von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss.

Die Grauzonen zwischen Treue und Untreue, Bewahrung und Weiterentwicklung auslotend, konnte die Inszenierung von Intendant Uwe Eric Laufenberg bereits internationale Erfolge feiern. Nach Brüssel (Théâtre Royal de la Monnaie, 1997), Berlin (Komische Oper, 1999), Barcelona (Gran Teatre del Liceu, 2002) und Tel Aviv (Israeli Opera, 2007) ist das Stück erneut unter Laufenbergs Regie sowie in neuer Besetzung an der Oper Köln zu erleben.

Nach seinem Auftritt als Graf Bolkonski in »Krieg und Frieden« ist es der Oper Köln wieder gelungen, den jüngst von der Fachzeitschrift Opernwelt zum »Sänger des Jahres 2011« gekürten Johannes Martin Kränzle für eine Protagonistenpartie (Musiklehrer) zu gewinnen. Die Zerbinetta gibt Daniela Fally, Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper. Barbara Haveman (Ariadne), Regina Richter (Komponist) und Marco Jentzsch (Tenor/ Bacchus) feiern bei der Premiere ihre Rollendebüts.

Die musikalische Leitung liegt in den Händen von GMD Markus Stenz, der gemeinsam mit dem Gürzenich-Orchester Köln musiziert. Uwe Eric Laufenbergs Inszenierung, die schon in Brüssel, Berlin, Barcelona und Tel Aviv Erfolge feierte, ist nur einen Monat lang zu sehen.

„Ariadne auf Naxos”: Luxuriöse Spielerei am Meer


von Pedro Obiera
30. November 2011

So ganz neu ist sie nicht, Uwe Eric Laufenbergs Inszenierung von Richard Strauss’ skurrilster Oper „Ariadne auf Naxos”. 1996 in Brüssel aus der Taufe gehoben, bereiste sie diverse Opernbühnen bis hin nach Barcelona und Tel Aviv.

Im dritten Jahr seiner durchweg erfolgreichen Kölner Intendanz schenkte er sie jetzt seinem rheinischen Publikum, das die Premiere auch dankbar aufnahm.

Dennoch: Die Problematik des Stücks, die Verknüpfung von heroischer Oper und leichtfüßiger Buffa-Komik, die Diskrepanz zwischen Strauss’ eigener Einschätzung als „Spielerei” und Hofmannsthals tiefgründigen Einblicken in menschliche Treue und Todessehnsüchten kann Laufenberg nicht überspielen. Das merkwürdige Experiment mit seinem kruden Gattungs-Mix, entstanden im Umfeld des ersten Weltkriegs, wirkt noch künstlicher, dekadenter und – sorry – banaler als „Der Rosenkavalier”.

 

 

Blickfang ist die Eingangshalle

Blickfang der Inszenierung ist die wunderschöne Eingangshalle zum Palais des „reichsten Mannes von Wien”, die Tobias Hoheisel mit viel Marmor, weitläufigen Fensterpanoramen und einem ausladenden Treppenaufgang geradezu luxuriös ausstattet. Ein ideales Ambiente für das Vorspiel, das sich für den Hauptteil, die Tragödie der Ariadne, in eine Insel verwandelt mit Fensterausblicken auf das Meer.

Vor allem das Vorspiel inszeniert Laufenberg mit leichter, handwerklich makelloser Hand. Im Hauptteil isoliert er freilich Tragödie und Possenspiel strikt von-einander. Die Auftritte der Gauklertruppe inklusive der Bravour-Arie der Zerbinetta laufen weitgehend in Abwesenheit Ariadnes ab, die doch in ihrer Einsamkeit getröstet werden soll. Und Ariadne geht ihrer Trauer um den entschwundenen Theseus allein nach.

Dass die Commedia-dell’arte-Figuren des Gaukler-Quartetts wie der Bacchus eine todesmetaphorische Bedeutung haben, sieht und hört man der Kölner Aufführung nicht an. Den Auftritt des Bacchus inszeniert Laufenberg als dionysisches Bacchanal mit diversen mythischen Anspielungen und üppiger Phallus-Symbolik bunt und letztlich oberflächlich.

Eine luxuriös dekadente „Spielerei”: Dabei bleibt es in Köln. Gesungen wird auf hohem Niveau. Mit den stimmakrobtischen Anforderungen der Zerbinetta hat Daniela Fally nicht die geringste Mühe, eher mit den hintergründigen Zwischentönen der Rolle. Eine Ariadne mit persönlichem Charisma und einer ausladenden lyrischen Stimme verkörpert Barbara Haveman, deren Sopran sich in den Höhen allerdings unangenehm verhärtet, so dass kein Raum für besonders wohlklingende Höhenflüge bleibt.

Als Fehlbesetzung erweist sich Marco Jentzsch, ein tüchtiger Mozart-Tenor, dem es für den Bacchus an Kraft und metallischer Strahlkraft fehlt.

Musikchef Markus Stenz hat seine stärksten Momente in den kammermusikalisch dezenten Teilen des Werks, neigt aber zu einem dicklichen Klangbild und gibt der Musik wenig Freiraum zum Atmen.
Insgesamt eine Produktion, die die Probleme des fragwürdigen Stücks eher noch verstärkt.